Der Übersetzer:
Björn Adelmeier, geb. 1976, studierte Japanologie an der Universität Hamburg und Film an der Hochschule für bildende Künste Hamburg. An der ersten Übersetzung des
Heike monogatari ins Deutsche, die nun vollständig vorliegt, arbeitete er insgesamt sieben Jahre.
Der Verfasser und genaue Entstehungszeitpunkt des
Heike monogatari sind unbekannt. Bis Ende des 13. Jahrhunderts entstanden durch das Zusammenspiel von literarisch gebildeten Hofadligen und wandernden Vortragskünstlern unterschiedliche Versionen. Der als Standardfassung geltende Text von 1371 geht auf den Mönch und Rezitator
Akashi Kakuichi zurück.
Interview mit dem Übersetzer Björn Adelmeier
Was macht die Faszination des Heike monogatari aus?
Das
Heike monogatari strahlt eine besondere Würde aus. Seine Figuren haben einen universalen Charakter. Dadurch entsteht eine Welt von klarer, ursprünglicher Schönheit, und das menschliche Leben wird in all seinen Facetten beschworen. Es ist ohne Zweifel eines der größten Kunstwerke in japanischer Sprache und bleibt für
immer einzigartig.
In dem Epos wird die von musischer Harmonie geprägte Machtausübung des Hofadels von der Gewaltherrschaft der Krieger abgelöst. Der Text erzählt wehmütig und schonungslos von diesem Verlust und von schrecklichen Schicksalen – und trotzdem hat er auf mich keine deprimierende Wirkung, sondern eine reinigende und befreiende. Außerdem ist das
Heike monogatari sehr vielseitig: Es gibt erzählerische Passagen, Dialoge, Briefe, Gebetstexte und Gedichte. Die Sprache wirkt – obwohl sie viele Jahrhunderte alt ist – niemals umständlich, antiquiert oder fremd. Sie ist immer ausdrucksstark und genau.
Wie verlief Ihre Arbeit an der Übersetzung des
Werks?
Zum Glück habe ich anfangs unterschätzt, wie lange es dauern würde, sonst hätte ich gar nicht begonnen ... Insgesamt habe ich sieben Jahre an der Übersetzung gearbeitet. Erst als nach etwa vier Jahren die Hälfte geschafft war, war ich mir sicher, das gesamte Werk zu bewältigen.
Um das
Heike monogatari zunächst einmal besser zu verstehen, habe ich das gesamte altjapanische Original abgeschrieben, um mir zwischen den Zeilen Notizen machen zu können.
Welcher Gewinn lässt sich aus der Lektüre des
»Heike monogatari« ziehen?
Das Werk ermöglicht eine Lektüreerfahrung, die auf besondere Weise frei von Einschränkungen unserer materialistischen Zeit ist. Das
Heike monogatari konstruiert weder einen Helden noch ein Genie – also kein modernes Individuum, das Erfolg und Glück maximieren will. Auch die Idee, die Welt zu kritisieren oder verbessern, zu erobern oder retten, ist diesem Werk sehr fremd. Die Auseinandersetzung mit dem Text kam mir wie eine Reise in ein fremdes Land vor, aus dem ich reich beschenkt heimkehre. Viele Passagen haben sich mir eingeprägt und geben mir weiterhin ein Gefühl von Sicherheit, Freiheit und Frieden. Nun hoffe ich, dass die Lektüre meiner Übersetzung eine ähnliche Erfahrung ermöglicht.