Rolf Dieter Brinkmann, 16. 4. 1940 Vechta – 23. 4. 1975 London.
Nach dem Abitur und einer Buchhändlerlehre in Essen studierte B. ab 1963 an der Pädagogischen Hochschule in Köln, wandte sich aber 1966 ganz der Literatur zu; 1972–73 lebte er in Rom als Stipendiat der Villa Massimo, 1974 war er Gastdozent an der University of Texas in Austin. Er starb an den Folgen eines Verkehrsunfalls. Als Erzähler begann B. mit Texten, die in den Umkreis des von D. Wellershoff propagierten ›neuen Realismus‹ gehören. Der Durchbruch gelang ihm mit
Keiner weiß mehr, seinem einzigen Roman, der aus der Perspektive des Mannes die Krise einer Kleinfamilie in einem unaufhaltsamen, monomanischen Gedankenfluss beschreibt. Die Auflehnung gegen die bürgerliche Enge und Moral, die der Roman provozierend betreibt, findet in der Lyrik ihr Gegenstück in der Rezeption der amerikanischen Underground-Literatur und -Kultur, die B. in Anthologien und Übersetzungen vorstellte und für seine Arbeiten fruchtbar machte. Es geht ihm nach amerikanischem Muster zunächst um den unmittelbaren, durch Traditionen und »Reflexionsbarrieren« unbelasteten Zugang zur alltäglichen Erfahrungswelt (einschließlich von Versatzstücken der trivialen Bilder- und Medienkultur), um Schnappschüsse und Momentaufnahmen. Komplexer als diese Poplyrik sind die Texte in seinem letzten Gedichtband (
Westwärts 1 & 2); hier verbinden sich die ›zufälligen‹ Realitätsausschnitte in einer Art Traumstruktur zu einer Geschichtsschreibung des Verfalls in Form einer lyrischen Autobiographie. B. blieb in seiner Suche nach einer »totalen Individualität« Einzelgänger im westdeutschen Literaturbetrieb. Was sich von diesem in seiner Außenstelle, der Villa Massimo, zeigte, attackierte er in dem postum erschienenen Collagenband
Rom. Blicke.
In: Reclams Lexikon der deutschsprachigen Autoren. Von Volker Meid. 2., aktual. und erw. Aufl. Stuttgart: Reclam, 2006. (
UB 17664.) – © 2001, 2006 Philipp Reclam jun. GmbH & Co., Stuttgart.