Erich Mühsam, 6. 4. 1878 Berlin – 10. 7. 1934 Konzentrationslager Oranienburg.
Der Sohn eines jüdischen Apothekers wuchs in Lübeck auf und sollte auf Wunsch des Vaters ebenfalls Apotheker werden. Doch vernachlässigte er bald die Apothekerlehre (Lübeck, Berlin). Er verkehrte in den literarischen Kreisen der Hauptstadt, arbeitete seit der Jahrhundertwende als Journalist und Redakteur und wandte sich dem Anarchismus zu. Nach ausgedehnten Reisen ließ er sich 1908 in München nieder und fand Freunde in der Schwabinger Boheme (F. Wedekind, F. zu Reventlow). Er spielte eine führende Rolle in der Münchener Räterepublik 1918–19; 1919 wurde er zu 15 Jahren Festungshaft verurteilt (Entlassung Ende 1924 auf Grund einer Amnestie). Danach warb er für eine »soziale Revolution« und die Einigung der revolutionären Kräfte und warnte vor dem aufkommenden Faschismus. In der Nacht des Reichstagsbrands (28. 2. 1933) wurde er verhaftet und im Jahr darauf in Oranienburg ermordet. M.s im engeren Sinn literarisches Werk umfasst neben Lyrik und revolutionär kämpferischen Liedern satirische Chansons (im Zusammenhang mit seiner Mitarbeit im Münchner Kabarett »Elf Scharfrichter«) und eine Reihe von Bühnentexten. Themen sind u. a. die Auseinandersetzung mit gesellschaftlichen Tabus (
Die Freivermählten), die Verarbeitung seiner Erfahrungen mit der Revolution 1918–19 (
Judas) und sein Kampf gegen den Staat am Beispiel des Sacco-und-Vanzetti-Falls (Staatsräson). Seine sozialreformerischen und kulturkritischen Schriften (und die verschiedenen Zeitschriftengründungen) gelten dem Kampf gegen gesellschaftliche Vorurteile und Missstände, gegen Militarismus und Krieg und treten für Menschlichkeit und die Revolution aller Lebensverhältnisse ein. Eine Zusammenfassung seiner politischen Ideen bietet die Schrift
Die Befreiung der Gesellschaft vom Staat.
In: Reclams Lexikon der deutschsprachigen Autoren. Von Volker Meid. 2., aktual. und erw. Aufl. Stuttgart: Reclam, 2006. (
UB 17664.) – © 2001, 2006 Philipp Reclam jun. GmbH & Co., Stuttgart.